18) „Pickerl“ – Blumenstrauß – Bahnhofsvorplatz

18) „Pickerl“ – Blumenstrauß – Bahnhofsvorplatz

Oft wird man durch zwischenmenschliche Enttäuschungen aus der Bahn geworfen. Zum Glück verhelfen einem aber wieder gewisse Umstände, in die Spur zu kommen.

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Leider hatte Martin K. (26) an diesem Tag sein Auto (Alfa Romeo Spider, Bj. 1973) nicht zur Verfügung. Es befand sich in einer Eisenburger Autowerkstatt zur Paragraf 57a-Überprüfung, auch „Pickerl“ genannt. K. lehnte das Angebot für einen Leihwagen aufgrund des stolzen Preises dankend ab.

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Als nun Martin K. zu Fuß zu seiner Wohnung ging, dachte er wieder an sie: Sabine D. (20). Er wusste, dass sie heute Abend von einem Arbeitsmarkt-Kurs im 20 km entfernten Altenhofen (Titel des Kurses: „Die erfolgreiche Bewerbung“) zurückkehren würde. Einmal waren sie schon gemeinsam im Gasthaus „Krone“, und er hatte den Eindruck, sie sei an einem näheren Kontakt interessiert. Mit einem Blumenstrauß in der Hand ließ er sich in einem Taxi (Mercedes S-Klasse, dunkelgrün, Bj.1979) zum Bahnhof bringen.

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Dort erfuhr er, dass der Zug aus Altenhofen 15 Minuten Verspätung hatte. Martin beschloss daher, sich am Imbissstand eine kleine Stärkung (Bratwürstel mit scharfem Senf) zu gönnen. Wenig später sah er, wie ein Mann (Gerhard M., 37) verzweifelt mit einem Handfeuerlöscher den Brand im Motorraum seines Wagens (VW Passat, rot, Bj. 1978) bekämpfte. Die Frage, ob er Hilfe benötigt, erübrigte sich, da bereits die Feuerwehr anrückte.

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Inzwischen war Martin zum Zeitungskiosk gegangen, wo ein Kolporteur eine Zeitung (Kurier, 13 Schilling) anbot, in der alles über den gestrigen Stromausfall stand, der Eisenburg für kurze Zeit völlig verdunkelt hatte. Doch K. nahm sich für diese Bahnhofslektüre nunmehr keine Zeit.

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Der Zug aus Altenhofen (E-Lok 1042 der ÖBB mit drei Personenwagen und einem Paketwagen, jeweils ÖBB) traf nämlich soeben im Bahnhof ein. Zufällig erblickte Martin K. einen Mann in Anzug und mit Aktentasche (Hermann S., 56, Direktor der Keramik-Manufaktur „Buchtal“), der gerade noch rechtzeitig den Zug erreichte.

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Martin begab sich nun – in Anbetracht des gleich folgenden Zusammentreffens mit Sabine etwas angespannt – auf den Bahnhofsvorplatz. Doch aus Martins freudiger Nervosität wurde schlagartig tiefste Resignation. Er musste mitansehen, wie Sabine einem gut aussehenden Mann (Hans E., 21, Hilfsarbeiter im Eisenburger Bahnbetriebswerk) in die Arme fiel und sie von diesem einen leidenschaftlichen Wiedersehenskuss erhielt.

Sehr frustriert verließ Martin, der den Blumenstrauß nun missmutig in einen Abfallkübel warf, den Bahnhofsvorplatz. Als einziger Trost blieb für K. jedoch die Aussicht, dass er am nächsten Tag wieder seinen Alfa Romeo Spider aus der Werkstatt wird abholen können, und zwar ohne Verspätung.

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